· 

Gesund = Unverarbeitete Lebensmittel?

youtube-Video

Die Geschichte geht so:

Dir geht es nicht gut, weil du zu viel Junk Food und stark verarbeitete Lebensmittel isst. Also iss wieder natürlich und bevorzuge echte Lebensmittel!

 Doch was steckt hinter dem Begriff "Unverarbeitete Lebensmittel"?

 


Unverarbeitete Lebensmittel - besser für unsere Gesundheit?

Die Geschichte geht so: Dir geht es nicht gut, weil du zu viel Junk Food und stark verarbeitete Lebensmittel isst. Also iss wieder natürlich und bevorzuge echte Lebensmittel!

Wenn minderwertige Zutaten durch Zucker, billige Pflanzenfette und den chemischen Baukasten aufgepeppt werden und mein kulinarischer Background sich in Tiefkühlpizzen und Dosenessen erschöpft, dann geht die Gleichung, dass man zu mehr unverarbeiteten Lebensmitteln greifen soll, auf. 

In solchen Fällen ist der Ruf nach mehr unverarbeiteten Lebensmitteln wahrscheinlich ein ziemlich guter Rat. Allerdings lässt sich jede Teilwahrheit so aufblähen, dass hinterher das Gesamtbild völlig verzerrt wird. Und genau das passiert unweigerlich, wenn Frau/Mann versucht, so viele unverarbeitete Lebensmittel wie möglich zu essen. Dann wird aus dieser Formel eine Eßstörung, die unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden schädigt.

Die Bedeutung von "Unverarbeiteten Lebensmitteln"

Es fängt schon damit an, dass unverarbeitet ein sehr dehnbarer Begriff 

ist und es heute praktisch keine unverarbeiteten Lebensmittel mehr gibt. Von wenigen Wildtieren und einigen Wildfischen abgesehen, ist unsere gesamte Nahrung eine menschengemachte. Sind denn Gemüse- und Obstsorten nicht echte und unverarbeitete Lebensmittel?

Auch diese sind vom Menschen gezüchtet worden und wir kochen Kartoffeln und andere Lebensmittel ja deshalb, weil sie so bekömmlicher und nahrhafter werden. Die Menschwerdung ist untrennbar mit der zunehmenden Ver- und Bearbeitung unseres Essens verknüpft. Denn nur dadurch konnten wir potentielle Giftstoffe in der Nahrung reduzieren und die Nährstoffdichte deutlich erhöhen.

Unverarbeitete Lebensmittel - Ein Blick in die Vergangenheit

Ein Blick in die Vergangenheit zu unserem affenähnlichen Vorfahren lohnt sich, um das rechte Maß an verarbeiteten Lebensmittel für sich wählen zu können. Schimpansen, mit denen wir den letzten gemeinsamen Vorfahren teilen, sind ein gutes Modell für den Beginn der Menschenwerdung. Der überwiegende Teil ihrer Nahrung besteht aus Früchten und weiteren ballastoffreichen Pflanzenteilen. Deshalb müssen sie sich häufig stundenlang den Bauch vollschlagen und hinterher mühevoll verdauen, um genügend Energie aufzunehmen.

Die menschliche Evolution ist dagegen dadurch gekennzeichnet, dass die verschiedenen Unterarten des Homo die Nährstoffdichte durch kulturelle Fertigkeiten immer weiter steigerten, so dass sie Energieüberschüsse erzielten, die unter anderem auch dem Wachstum des Gehirns zu Gute kam. 

Die Verdrei- bis Vervierfachung des Gehirnvolumens spiegelt sich auch in unserem Magen-Darm-Trakt wieder, denn während der Dünndarm beträchtlich wuchs, verkürzte sich entsprechend der Dickdarm. Diese zweite anatomische Besonderheit zwischen Menschen und anderen Primaten weist ebenfalls darauf hin, dass durch die zunehmende Verarbeitung von Lebensmitteln nicht mehr ein so langer Dickdarm benötigt wurde. Die neuere Forschung geht davon aus, dass bereits die frühsten Vorfahren der Menschen die Nährstoffverfügbarkeit durch Zerkleinerung mittels Werkzeugen erhöhten. Und das Kochen der Nahrung hat wahrscheinlich schon vor mehr als 1,5 Millionen Jahren begonnen.

Unverarbeitete Lebensmittel - Heute

 Die Forderung möglichst unverarbeitete versus bearbeitete Lebensmittel zu essen, ist erstens gar nicht möglich und zweitens haben (aktive) Menschen einen ziemlich großen Energiebedarf. Und der lässt sich nicht allein durch unverarbeitete Lebensmittel decken. Deshalb lautet die richtige Frage, welchen Grad an Ver- und Bearbeitung sollte unsere Nahrung aufweisen. Je mehr Kalorien eine Person braucht, umso mehr verarbeitete Lebensmittel wie Brot, Nudeln, Käse, Wurst, etc. muss man für die Erhaltung seines Energiebedarfs essen. Die wichtigsten Bedürfnisse unseres Gehirns und Körpers lassen sich nicht mit Brokkoli und Salat stillen, sondern die Basis sind Fett, Kohlenhydrate und Proteine!

Erstmalig in der Evolution des Menschen haben wir aber inzwischen einen Punkt erreicht, wo die Steigerung der Nährstoffdichte für viele Menschen ein Zuviel an Kalorien bedeutet. Die Kombination eines bewegungsarmen Lebens mit der ständigen Verfügbarkeit von Pommes, Kuchen und Pizza lässt die Fettreserven bei vielen Menschen in krankmachende Dimensionen steigen. Deshalb sollten wir individuelle und gesellschaftliche Wege finden, um das rechte Maß an verabeiteter Nahrung für uns zu finden.

 

Die gute Nachricht und Literaturempfehlung zu unverarbeiteten Lebensmitteln

Die gute Nachricht ist also, dass wir nicht einem Mikronährstoff-Fetischismus frönen und generell Fett und Kohlenhydrate verteufeln müssen. Es kommt dagegen auf das richtige Maß an, denn bei einem aktiven Lebensstil haben auch Käsekuchen, Pizza oder andere Lieblingsspeisen einen Platz in unserer Ernährung. Wer darüber mehr wissen will, dem empfehle ich Daniel Liebermans Buch "Unser Körper" und die beiden wissenschaftlichen Artikel "Evolutionäre Ernährungswissenschaft und `steinzeitliche` Ernährungsempfehlungen" von Alexander Ströhle und Andreas Hahn.