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Ist Zucker eine leere Kalorie?


Ist Zucker eine leere Kalorie?

Nährstoffarme Lebensmittel, wie z. B. Zucker und Weißmehle, werden in den Medien häufig als leere Kalorien bezeichnet, weil sie dem Körper keine wertvollen Nährstoffe liefern würden. Stattdessen würden sie dem Körper „sinnlose“ Energie geben.

Diese griffige Formel scheint ideal zu sein, um uns vor den Gefahren kalorienreicher, aber nährstoffarmer Lebensmittel zu warnen, weil sie uns eine konkrete Bedienung an die Hand gibt, was wir meiden und mehr essen sollten.

Allerdings transportiert der Begriff leere Kalorien ein falsches Verständnis, wie unser Stoffwechsel funktioniert und welche Bedürfnisse unser Körper hat. Daraus resultiert dann ein unbrauchbares Konzept von moralisch aufgeladenen Lebensmitteln, die entweder schaden oder förderlich wären. Ernährungsphysiologisch braucht unser Körper nämlich nicht bestimmte Lebensmittel, sondern eine passende Zufuhr der Makro- und Mikronährstoffen. 

 

Beginnen wir mit den Makronährstoffen, denn sie sind die Basis einer gesunden Ernährung, was eine dem Bedarf angemessene Versorgung von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen meint. Da kalorienreiche Lebensmittel im Übermaß vorhanden sind, scheint Nahrungsenergie eher eine potenzielle Bedrohung als Quelle unserer Gesundheit zu sein. Das scheint insbesondere auf nährstoffarme Kohlenhydrate zuzutreffen, weil sie nach der klassischen Definition nicht essenziell sind. So entsteht der Eindruck, dass sie einer optimalen Gesundheit abträglich wären. Vor allem beim Verzehr von Zucker heißt es häufig, dass dieser in zu hoher Dosis neurotoxisch sei und den Zellen schade. 

 

Zucker oder andere als ungesund gelabelte Lebensmittel sind aber nur dann schädlich, wenn sie ständig im Übermaß verzehrt werden und die überschüssige Nahrungsenergie an nicht dafür vorgesehenen Stellen wie im Bauchraum zur Verfettung der Organe führt.  Das trifft aber genauso für nährstoffreiche Nüsse oder andere als gesund gelabelte Lebensmittel zu. Diese können genauso zum Überessen beitragen und dann auf lange Sicht unserem Körper schaden. 

 

Also, nicht einzelne Lebensmittel sind neurotoxisch, sondern das Zuviel an Nahrungsenergie. Das liegt daran, dass unser Körper die Aufnahme der Makronährstoffe nicht steuern kann. Was als Nahrungsenergie übrigbleibt, materialisiert sich als Fett in unserem Körper. Nahrungsenergie und die Makronährstoffe sind eben die zwei Seiten der gleichen Medaille. 

 

Die gesundheitlichen Auswirkungen von zu wenig Nahrungsenergie sind aber viel drastischer, wie dies eindrücklich die Magersucht zeigt. Eine chronische Unterversorgung lässt nur ein Leben auf Sparflamme zu, so dass viele wichtige Funktionen wie die Immunabwehr nur eingeschränkt funktionieren. Das zeigt sehr deutlich, wie wichtig Nahrungsenergie und damit auch Kohlenhydrate für unseren Körper sind. Denn sie besitzen vielfältige Aufgaben in unserem Körper und werden eben nicht nur als Brennstoff benötigt. So ist Traubezucker ein Strukturelement der Erbsubstanz, also der RNA und DNA. Weiterhin kann Glukose in nicht- essenzielle Aminosäuren umgewandelt werden und auch zur Bildung von Steroidhormonen beitragen. Ferner braucht es Glukose zur Bildung von Glykoproteinen, wie Kollagen, Enzymen, Peptidhormonen, etc. und zur Synthese von Bindegewebe. Und zuletzt ist der Traubenzucker auch Teil der körpereigenen antioxidativen Abwehr. Also Traubenzucker ist keine leere Kalorie, denn unser Stoffwechsel braucht genug Nahrungsenergie auch aus Kohlenhydraten, damit der Stoffwechsel optimal funktioniert.

 

Fazit Nahrungsenergie:  Die an den Bedarf angepasste Zufuhr von Nahrungsenergie ist die Basis einer gesunden Ernährung. Aus diesem Grund sind Formulierungen wie von gesunden Fetten oder ungesunden Kohlenhydraten mit Vorsicht zu genießen, denn sie suggerieren, dass die Energie aus Nüssen irgendwie anders wäre als die aus Zucker. 

 

Das führt uns zu den Mikronährstoffen und anderen essenziellen Stoffen, die von außen zugeführt werden müssen. Im Gegensatz zu den Makronährstoffen kann unser Körper aber die Aufnahme dieser lebensnotwendigen Stoffe regulieren, so dass eine abwechslungsreiche Mischkost im Allgemeinen für einen guten Versorgungszustand ausreicht. Die gesundheitlichen Wirkungen folgen dabei einer umgekehrten U-Kurve: Mit einer zunehmenden Versorgung wird ein Mangel ausgeglichen, so dass der benötigte Nährstoff in ausreichender Menge die im Stoffwechsel vorgesehenen Aufgaben erfüllen kann. Es gibt dann einen mehr oder weniger großen Zufuhrbereich, der eine optimale Versorgung sicherstellt. Nach optimal schlägt allerdings bei vielen Nährstoffen, wie bei Eisen und Calcium, der gesundheitliche Nutzen um, so dass diese in zu hoher Dosis toxisch wirken. 

 

Das bedeutet, dass die Zufuhr von Mikronährstoffen nicht maximiert werden kann, sondern dass sie nur gut genug sein muss. Deshalb ist eine Ernährung nicht automatisch besser, nur weil sie mehr Mikronährstoffe enthält. Ebenso lässt die im Essen enthaltene Menge an Nährstoffen nur einen sehr eingeschränkten Schluss zu, wie viele Nährstoffe davon tatsächlich aufgenommen werden. Zum einen liegt das daran, dass die in tierischen Lebensmitteln enthaltenen Nährstoffe meistens eine höhere Bioverfügbarkeit aufweisen. Und zum anderen bestimmten weiterhin der Versorgungszustand, die Menge des Nährstoffs, die hemmenden und steigenden Wechselwirkungen mit anderen Stoffen sowie der Gesundheitszustand die Aufnahmekapazität. Grundsätzlich folgt die Aufnahme aber einer einfachen Logik. Je schlechter die Versorgung und je weniger davon in der Nahrung enthalten ist, umso besser funktioniert die Aufnahme und umgekehrt.

 

 

Praktisches Fazit

Abschließend lässt sich also festhalten, dass der Begriff leere Kalorie nicht taugt. Er unterteilt einzelne Lebensmittel in nährstoffreiche bzw. nährstoffarme ein. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es besser wäre, bestimmte Lebensmittel zu vermeiden und von anderen mehr zu essen. Das müsst ihr aber nicht, denn es macht niemanden gesünder, so viele Mikronährstoffe wie möglich zu essen. Gesund sind nämlich nicht einzelne Lebensmittel, sondern das Ernährungsmuster oder besser noch der individuelle Lebensstil. Wenn Lebensmittel an sich schlecht wären, dann müssten wir sie eigentlich immer meiden. Zum Glück brauchen wir das aber nicht, denn bei einer an sich ausgewogenen Ernährung bleibt auch ein Budget für Essen, dass unsere Gelüste befriedigt.

 

 

Quelle: Hahn, Ströhle, Wolters. Ernährung - Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. 4. Auflage. Kapitel 3.5

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Kommentare: 1
  • #1

    Alexander Zimmermann (Dienstag, 27 August 2024 17:52)

    Vielen Dank für die erhellenden Informationen. Besonders für die unterschiedlichen Aufnahmesysteme von Makro und Mikro. Es erstaunt mich schon, wie ideologisiert Ernährung ist, wie an dem Begriff der "leeren Kalorie" deutlich wird.